preiswert oder Preis wert?

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„Nein. Auf gar keinen Fall. Ich habe keine Lust kostenfrei zu arbeiten.“ Das geht mir gerade durch den Kopf. Am anderen Ende der Telefonleitung höre ich eine sympathische Frauenstimme sagen: „Auf unserem internationalen Kongress bringen wir jährlich 1000 innovative Köpfe aus Forschung, Industrie und Wirtschaft. Wir hätten Sie gern als Experten für das Thema Storytelling. Ach ja, wir zahlen unseren Referenten kein Honorar.“

Da war es wieder. Sofort fallen mir die 1001 Argumente ein, die sie als Trainer oder Redner oft an dieser Stelle hören: „…sie treffen dort auf potentielle Kunden…sie können ihr Netzwerk erweitern…das ist doch auch gute Werbung für sie.“ Setzen Sie hier einfach die üblichen Äußerungen aus Ihrer Branche ein.

Kohle oder Kontakte

Verstehen Sie mein Dilemma? Einerseits ist das eine interessante, hochkarätige Veranstaltung, auf der ich gerne sprechen möchte. „Bühne bringt Bühne“ sagt mein befreundeter Kollege Rene Borbonus häufig. Auf der anderen Seite hat meine Arbeit einen gewissen Wert und damit auch ihren Preis. Wie hätten Sie an meiner Stelle entschieden?

„Wissen Sie, das ist ja sehr schade. Ihre Veranstaltung klingt sehr interessant. Einer meiner Kollegen hat im letzten Jahr bei ihnen gesprochen. Er war sehr begeistert. Sehr gern würde ich für sie das Lagerfeuer an den Konferenztisch holen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, das geht nur gegen Honorar.“

Geerdts, ist das die richtige Entscheidung? denken Sie jetzt vielleicht. Natürlich wollte ich gern dort auftreten. Natürlich waren das interessante Kontakte. Natürlich war ich an Folgeaufträgen interessiert. Wollte ich den Auftrag? Ja. Hatte ich Lust dazu? Und wie.

[Tweet „“Wenn du gut in etwas bist – mach es nie umsonst!“ Joker, The dark Knight (2009)“]

Kurze Pause in der Leitung. „Herr Geerdts, das ist bei uns nicht üblich. Aber ich hätte Sie gern dabei. Sie können uns ja ein Angebot zusenden und ich bespreche das mit unserem CEO.“ Wieso sollte ein potentieller Kunde später Geld für meine Dienstleistung zahlen, wenn ich dort kostenfrei auftrete? Welches Signal setze ich damit nach außen? Also habe ich ein Angebot geschrieben. Mit meinem normalen Tagessatz.

5 hilfreiche Fragen für Sie

Angebote wie diese gibt es immer wieder. Mit guten Freunden und Kollegen habe ich mich schon oft darüber ausgetauscht. Aus diesen Gesprächen habe ich für mich folgende Fragen destilliert, die auch für Sie sehr wertvoll sein können:

  • Habe ich wirklich Lust auf diese Aufgabe?
  • Wozu nützt mir dieser Auftrag?
  • Was ist der niedrigste Preis, den ich akzeptiere?
  • Was ist mein Produkt oder meine Dienstleistung wert?
  • Was bin ich mir selber wert?

So habe ich meinen Preis, meinen Wert für mich gefunden. Erich Norbert Detroy nennt das Preisstolz. (Vielen Dank an Martin Limbeck für die Quelle.) Dann ist es wichtig, zu diesem Wert zu stehen.

Wie ist das bei Ihnen?

Was Ihr Preis ist bzw. was Sie sich selbst wert sind, dass bleibt selbstverständlich Ihnen überlassen.Vielleicht nehmen Sie sich gleich einmal Stift, Papier und eine ruhigen Moment, um genau das für sich herauszufinden und in der nächsten Situation stolz hinter Ihrem Wert und Preis zu stehen.

Ein paar Tage später klingelte das Telefon: „Hallo Herr Geerdts, hier die Überbringerin guter Nachrichten. Wir möchten Sie gern als Referent mit dem Thema auf unserem Kongress begrüßen. Das Angebot ist in Ordnung und wurde schon genehmigt. Ihnen noch einen schönen Tag und beste Grüße.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen gute Geschäfte. Schreiben Sie mir gern Ihre Erfahrungen. Ich freue mich auf Ihre Kommentare.

9 Antworten

  1. Oh ja, kenne ich gut.
    Hat meiner Meinung nach mit zwei Dingen zu tun:
    1. Die eigene Auftragslage, also wie dringend brauche ich neues Geschäft und was bin ich bereit, dafür zu investieren?
    2. Respekt.
    Wenn für eine hochkarätige Charity-Veranstaltung Spitzenleute gesucht werden, wäre ich dabei. Aber mit welcher Begründung sucht man für eine kommerzielle Sache Top-Leute mit dem Angebot, umsonst aufzutreten.
    Man frage dasselbe einen bekannten Dirigenten, Schauspieler, Sänger …

    Ihre Erfahrung mit dem nachträglichen genehmigten Angebot zeigt ja, dass es um Basar-Gefeilsche geht.

    Was ich auch nicht mehr mache: „Trainer-Vorsingen“ bei einem potenziellen Kunden. Ein Unternehmen sucht einen Coach, einen Trainer und lädt dazu ein. Zwei Stunden Gespräch plus An- und Abfahrtszeit etc. Es ist noch nie ein Auftrag daraus geworden.

    1. Hallo Herr Kopp-Wichmann,
      „Trainervorsingen“… da habe ich schallend gelacht. Made my day! Herzlichen Dank und beste Grüße,
      Michael Geerdts.

  2. Hallo Herr Geerdts,

    Sie haben richtig gehandelt. Auch ich kenne das Dilemma mit den honorarlosen Vorträgen. Vorträge vorzubereiten kosten Zeit und schließlich entstehen auch Kosten, die man selbst übernehmen muß. Ich habe für mich entschieden keine Vorträge mehr umsonst zu halten.
    Schön dass Sie das Thema auch so sehen.

    1. Hallo Frau Trautmann,

      herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Und wenn alle das so sehen würden, dann wäre das Thema „kostenlose Vorträge“ auch schnell aus der Welt. Ihnen einen erfolgreichen Freitag und ein erholsames Wochenende.

      Mit den besten Grüßen,
      Michael Geerdts.

  3. Hallo Angela,
    herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Für mich entschiedet jeder selbst, was sein Preis und sein Wert ist. Und natürlich verstehe ich jeden, der für sich sagt: Hey, ich bin gerade neu im Geschäft (..oder ich habe gerade keinen Auftrag.. oder ich wollte schon immer mal etwas Neues üben…). Letztendlich macht das jede(r) zuerst mit sich selbst aus. Auch den Unternehmen ist klar, dass eine gewisse Qualität und Erfahrung seinen Preis hat. Und in diesem Spannungsfeld bewegen wir alle uns eben. Und das ist okay. Wenn nur über den Preis entschieden wird, dann bin ich einfach raus. Umso mehr freue ich mich dann über Unternehmen, die dann ein zweites Mal anrufen und etwas mehr Geld in die Hand nehmen. Und dann wird auch entsprechend geliefert.

    In diesem Sinne wünsche ich Dir weiterhin gute Geschäfte und sende beste Grüße.
    Herzlichst, Michael.

  4. Hallo Michael,

    danke für diesen „erinnernden“ Artikel 🙂
    Ich übe mich noch darin, das Geld zu nehmen, was ich wert bin…aber es wird! Auf jeden Fall lerne ich immer mehr, was ich mir wirklich wert bin und dies auch offen zu vertreten UND mich gut dabei zu fühlen.

    Danke für deinen Impuls, dieser kommt – natürlich nicht zufällig – gerade zur richtigen Zeit!

    Herzliche Grüße, Bettina

    1. Hallo Bettina,
      herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Wenn Du jetzt das dicke Grinsen sehen könntest… Freut mich, dass hilfreich für Dich ist. Synchronizitäten sage ich Dir. Aktuell habe ich ein Henne-Ei-Dilemma, denn diese Preisgeschichten häufen sich gerade. Frei nach Robert Anton Wilson könnte ich mich fragen: befasse ich mich damit, weil es gerade für mich aktuell ist oder ist es gerade aktuell, weil ich mich damit befasse? Mal sehen, vielleicht gibt es noch einen dritten Newsletter zu dem Thema…

      Dir weiterhin alles Gute und viele Grüße in den Süden,
      Michael.

  5. Ein wirklich schöner Artikel. Vor allem die Fragen scheinen mir sehr hilfreich. Der Folgeartikel könnte davon handeln, wie „man“ den Wert seiner Dienstleistung findet … und dazu steht. Die eigene Leistung tatsächlich zu fühlen bedeutet für mich, auch zu ihr stehen zu können.

    1. Hallo Tom,

      herzlichen Dank für Deinen Kommentar. Wie hast Du denn den Wert Deiner Dienstleistung gefunden? Ich freue mich von Dir zu „hören“,
      Michael.

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