Unzufrieden. Einfach unzufrieden. Ja, das war ich. Vielleicht haben Sie ja auch einen sehr hohen Anspruch an Ihre Arbeit. Dann kennen Sie diese Mischung aus irgendwie unzufrieden und nicht perfekt. Wieso übertriebener Perfektionismus unnötig ist und was das mit Ihren Kunden zu tun hat, darum geht es in diesem Blogartikel.
Montag, 30 Mai, 10.00 Uhr. Feedbackgespräch steht in meinem Kalender. „Hallo Michael, wie hat Dir der Trainingstag mit uns gefallen?“ Monika strahlt förmlich aus dem Telefon. Sie ist Global Vice President Client Service bei einem Berliner Startup. „Irgendwie hadere ich noch mit dem Tag“, antworte ich. „Gefühlt war nach dem Mittag die Luft raus. Und irgendwie habe ich einen Teil Deiner Kollegen nicht erreicht. Wie siehst Du das?“
Was eine Woche vorher passierte
Barcelona. Stellen Sie sich einen wunderschön dekorierten Trainingsraum vor. Überall stehen dicke Bücher und Globen, wie in einer Bibliothek. Ein Fahrrad aus Holz hängt an einer der Wände. Auf den Tischen stehen leuchtendrote Gläser und die Sonne scheint angenehm durch die Fenster. Der Trainingstag ist zu Ende, Zeit für die Feedbackrunde.
„Der Block zum Thema X war überflüssig. Damit konnten wir nichts anfangen.“ Moment, genau das hatten sich die Teilnehmer in den Vorgesprächen extra gewünscht. „Am Nachmittag lief es irgendwie zäh.“ Ich war unzufrieden mit mir. Kennen Sie ähnliche Momente aus Ihrem Berufsalltag?
Monika lachte am anderen Ende der Leitung. „Michael, Du kannst ganz beruhigt sein. Mir hat das Training sehr gut gefallen. Schade, dass Du am zweiten Tag nicht mehr mit dabei warst. Tobi, der sportliche Typ links von mir, hat mir noch gesagt, dass genau dieser Teil besonders hilfreich für ihn war. Und er war nicht der Einzige.“
„Hast Du daran gedacht, dass viele Teilnehmer am Vortag aus Japan und den USA angereist sind? Die waren einfach müde vom Jet-Lag. Das war auch am zweiten Tag so und hatte nichts mit Dir zu tun.“ So hatte ich das noch gar nicht gesehen. Und schon hat eine zweite Meinung, ein Feedback, für eine komplett andere Sichtweise gesorgt. Das fühlte sich gut an.
3 Erkenntnisse, die ich daraus gewonnen habe
1.) Wir selbst kritisieren uns oft am härtesten.
2.) Wir urteilen oft, obwohl wir nicht alle Informationen haben. (Ich hatte schlicht und einfach nicht an den möglichen Jet-Lag der Teilnehmer gedacht).
3.) Wenn Sie gerade besonders kritisch sind, gleichen Sie Selbst- und Fremdbild ab.
3 hilfreiche Fragen für Sie
Damit es Ihnen in ähnlichen Situationen zukünftig anders geht als mir, können Sie sich folgende Fragen stellen:
1.) Würde ich jemand anderem erlauben, mich so zu kritisieren?
2.) Woher weiß ich, dass ich alle Informationen habe?
3.) Was würde mein bester Freund, meine Mastermind-Gruppe oder Batman dazu sagen?
Und holen Sie sich Feedback von Ihren Kunden. Michael Breen (einer meiner Coaches) sagte einmal im Workshop: „Feedback ist nicht das Frühstück der Champions, sondern das Frühstück, Mittag und Abendessen.“ Schreiben Sie mir gern Ihre Erfahrungen oder hinterlassen Sie einen Kommentar. Ich freue mich auf Ihre Meinung. Übrigens, Monika plant für Herbst einen Follow-Up Tag, auf den ich mich jetzt schon freue.
14 Antworten
Hallo Michael,
der Perspektivenwechsel gefällt mir gut! Die 3 Prüffragen finde ich ebenfalls sehr hilfreich 🙂
Weiterhin erfolgreiche und schöne Trainings!
Viele Grüße,
Wolfram
Hallo Wolfram,
vielen Dank für die Blumen. Es freut mich, dass Du mit den Fragen etwas anfangen kannst. Dir weiterhin viel Freud und Erfolg bei allem, was Du anpackst.
Herzliche Grüße, Michael.
Lieber Michael,
ja genau! Danke für den ehrlichen, authentischen Artikel. Genau so geht es doch vielen von uns. Mittlerweile habe ich meine persönliche Strategie entwickelt: a) Konstruktive Selbstbewertung erst am Folgetag. Direkt nach dem Seminar bin ich sehr, sehr ungnädig mit mir selbst und in Teilen auch überspitzt selbstkritisch. Das ist schlichtweg ungesund. Beispiel: neues Trainingsformat, 2 Tage, 13 Teilnehmer. Bewertungen: 11 x Note 1, 1 x Note 2 und 1 x Note 3. Anstatt mich wie Bolle über den sehr gelungenen Premieren-Erfolg zu freuen, mache ich mir intensiv Gedanken, was ich „noch“ besser machen hätte können, um auch den TN (Note 3) anders abzuholen. Tja, doch vielleicht konnte ich – aus mir völlig unbekannten Gründen – gerade diesen TN nicht abholen. Vielleicht bewegte diesen Menschen schlicht andere Themen oder er hatte einfach keinen Bock auf das Seminar. Menschlich eben.
Hallo Gabriele,
Dir herzlichen Dank für Deinen offenen Kommentar. Beim lesen habe ich geschmunzelt, weil ich gerade gestern wieder ein Feedback-Gespräch hatte und die Meinungen der Teilnehmer waren sehr breit gefächert. Vor Jahren war ich mal geknickt, weil ein Teilnehmer mir in einem Firmentraining eine 6 gegeben hat. Ähnlich wie bei Dir waren die anderen Feedbacks gut bis sehr gut. Chris Mulzer, einer meiner besten Freunde, meinte dazu: „Michael, da hast Du einen sehr guten Job gemacht. Du hast jemanden emotional berührt.“ Daran denke ich auch oft. Also, mach´ Dir bitte weiterhin Gedanken, was Du verbessern kannst. Und lass´ uns freundlicher mit uns selbst umgehen.
Herzliche Grüße, Michael.
Hallo Michael,
habe „diese Seite“ gerade mit meinen KIndern 26 und 18 geteilt…
Die Große hat gerade im Vertrieb angefangen. Ich hoffe dass Du sie mal
als Gäste eines Deiner Trainings kennen lernst.
Wie geht es Dir ?
Viele Grüße aus Hannover
Stephan
Hallo Stephan,
schön von Dir zu lesen. Es freut mich, wenn Dir die Blogartikel gefallen und Du praktischen Nutzen daraus ziehst. Mir geht es sehr gut. Zeit für ein persönliches Update? Dir beste Grüße aus Berlin,
Michael.
Moin Michael,
es ist wie früher in der Schule. Wenn wir mit einem schlechten Gefühl aus der Klassenarbeit gegangen sind, ist dabei „plötzlich“ eine gute Note rausgekommen. Die Perspektive zu wechseln ist ganz wichtig, um wirklich alle Informationen zu bekommen, die für eine Beurteilung notwendig sind.
Ich habe mir angewöhnt nach einem Vortrag oder Seminar die Teilnehmer, die besonders kritisch geschaut haben, direkt anzusprechen. Und siehe da, es ist in der Regel ganz anders, als ich gedacht habe. Weil ich nicht weiß, welche Gedanken jeder einzelne hat und was ihn gerade persönlich oder privat beschäftigt.
Danke für diesen interessanten Blog Artikel.
Kollegiale Grüße
Dirk-Oliver Lange
Moin Dirk-Oliver,
heute morgen habe ich mit meinem sehr geschätzten Freund Chris Mulzer (www.kikidsan.com) über das Thema gesprochen. Vor Jahren war ich wegen eines Teilnehmer-Feedbacks ziemlich geknickt. Er meinte nur: „Da hast Du jemanden berührt. Also hast Du einen sehr guten Job gemacht.“ Das war in dem Moment unerwartet, ungewöhnlich und hat mir sehr geholfen.
Beste Grüße nach Hamburg, Michael.
Danke, Michael.
Das ist es und ich muss mich ständig daran erinnern. 🙂
Nach einem ähnlichen Trainingserlebnis – und wir waren zu zweit mit diesem Gefühl am Freitagabend – kam am Montag sofort die Follow-up-Buchung… 😀
Hallo Gabi,
bitte gerne…und wenn die Woche mit einer Folgebuchung startet, dann gehen die Mundwinkel noch ein bisschen weiter nach oben.
Dir beste Grüße aus der Hauptstadt, Michael.
Hallo Michael,
mir geht’s immer wieder einmal ähnlich – mein Englisch ist miserabel, bei der einen Frage hab ich entsetzlich herumgehampelt, der eine TN war offenbar völlig desinteressiert, …
Und dann kommt „so gut verständlich“, „danke für die tolle individuelle Lösung“, „ich hab das gleich googeln müssen“ – und ich freu mich riesig. Stimmt – mit gleich Nachfragen hätt ich mir Sorgen ersparen können. Aber grad in der „ich-bin-nicht-gut-genug“-Laune ist das Gleich-Nachfragen oft ein bisschen angstbesetzt.
Mir ist diese Variante immer noch lieber als mein „was für ein tolles Training“-Gefühl mit einer kalten Feedback-Dusche hinterher (wenn sie berechtigt ist).
Und zumeist passt die Eigeneinschätzung zum Glück – es sind halt auch wir TrainerInnen stimmungsbeeinflusst in der Eigen- und Fremdwahrnehmung 🙂
Hallo Katharina,
da stimme ich Dir zu. Lieber frage ich bei Selbstzweifeln nach, als eine kalte Dusche auf Facebook abzubekommen.
Herzlichen Dank für Deinen Kommentar und beste Grüße nach Wien,
Michael.
Hallo Michael,
habe gerade nach dem Zitat „FB ist das Frühstück..“ gesucht und bin auf Deinen Artikel gestoßen.
Ich schreibe gerade ein Seminar-Handout, in dem das Feedback eine zentrale Rolle spielt.
Dazu ist mir eingefallen: Viele Menschen meiden ganz einfach die Frage/Bitte nach Feedback, denn es könnte ja immer sein, daß sie „kritisiert“ werden (kein Top FB erhalten) und dann fühlt man vielleicht was man als Kind in der Schule gefühlt hat. Schlechte Note -> Klasse lacht einen aus -> Lehrer guckt unzufrieden -> OMG wie sage ich es den Eltern?? -> Gardinenpredigt von Papa und/oder Mama.
Ich bewundere jeden Menschen, der er es trotzdem schafft, diese Kindheitserlebnisse hinter sich zu lassen und aktiv FB erbittet.
Dir einen wundervollen Tag voller nützlichem Feedback!
herzliche Grüße
Michael
Servus Michael,
…da hat sich eine Menge getan seit 2016. Feedback ist meiner Meinung nach immer noch wichtig, um wachsen zu können. Das setzt „wachsen wollen“ beim Empfänger sowie eine positive Attitüde beim Sender voraus.
Frameworks um Feedback zu geben gibt es wie Sand am Meer. Mir gefallen die folgenden drei Schritte sehr gut (Reihenfolge nach persönlichem Gusto):
Das kann so bleiben…
Das bitte nicht mehr / weniger davon
Dafür ab sofort das / mehr davon
Natürlich ist das stark vereinfacht, bietet dem Empfänger allerdings einen Handlungsrahmen, mit dem sich praktisch arbeiten lässt.
Dir viel Erfolg und beste Grüße.
Michael.