„Du hast Recht, sie sind etwas teurer. Aber ich finde, diese Haferflocken schmecken einfach besser.“ Meine Freundin Denise und ich sitzen beim Frühstück. Es gibt Haferflocken mit warmer Milch, Obst, Orangensaft und Kaffee. „Bist Du Dir sicher, dass Du einen Unterschied schmeckst?“ fragt sie. „Ja klar, die beiden würde ich blind voneinander unterscheiden können.“
Und täglich grüßt das Murmeltier
Wie oft hatten wir ähnliche Disussionen schon? Oft. Ich kaufe bei Allnatura gern eine bestimmte Sorte Haferflocken, Denise bevorzugt die günstigere Marke vom Discounter. Die habe ich auch probiert, allerdings hat sie mir nicht besonders geschmeckt.
Vorletzten Sonntag. Denise fragt: „Was möchtest Du heute frühstücken?“ Mir war nach Haferflocken mit Obst. Während sie in der Küche wuselte, habe ich den Tisch im Wohnzimmer für uns gedeckt. Ich ging zurück, um den Rest zu holen. Da standen auch die beiden Schalen mit Haferflocken. Schön dekoriert mit Bananenstücken und Goji-Beeren. Lecker. Ich nahm beide Schalen und stellte sie auf den Esstisch.
„Weißt Du noch, welche Schale Du wohin gestellt hast?“ fragte sie. „Nein, wieso? Sie antwortete: „Weil ich beide Sorten für uns gekocht habe. Wir wollten doch mal testen, welche besser schmeckt. Dann machen wir das eben ein anderes Mal.“
Schade. Das hätte mich jetzt wirklich interessiert. Ich nahm jeweils einen Löffel aus jeder Schale und probierte. „Das ist meine Sorte hier!“ sagt ich und zeigt auf die rechte Schale. „Bist Du Dir sicher?“ Natürlich war ich mir sicher. 100% sogar. Ich wußte ja genau, wie meine Sorte schmeckt. „Woher weißt Du das?“ „Ich weiß es eben.“ antwortete ich kurz angebunden. Ich weiß es eben.. Haben Sie das schon einmal gehört? …oder gesagt?
[Tweet „Meine Wirklichkeit ist nicht richtiger, nur anders. Michael Geerdts.“]
Sie nahm beide Schalen hoch und begann zu lachen. An meiner klebte ein Punkt. „Michael, das war die Schale mit den billigen Haferflocken. Da hast Du Dich geirrt.“ Ich nahm noch einen Löffel, nur zur Sicherheit. Vielleicht hat SIE sie sich ja auch mit dem Punkt geirrt.
Woher weißt Du das?
oder woran merkst Du, dass das stimmt? Beide Varianten gehören zu meinen absoluten Lieblingsfragen. Beide gehören zu den kraftvollsten und hilfreichsten Fragen, die ich kenne. Sie hinterfragen damit Ihre eigenen Bewertungskriterien und das hilft beim Denken genauso gut wie in Gesprächen. Nur hatte ich es in diesem Fall versäumt.
Wenn Sie sich das nächste Mal in ein Argument verbeissen, fragen Sie sich: „Woher weiß ich das eigentlich? Wie erkenne ich, dass das wirklich so ist, wie ich glaube?“ Vielleicht erkennen Sie, dass Sie sich irren. Vielleicht finden nachvollziehbare Kriterien. Beides wird hilfreich für Ihre nächsten Gespräche sein.
Schreiben Sie mir gern Ihre Erfahrungen oder hinterlassen Sie einen Kommentar. Ich freue mich auf Ihre Meinung. Vielen Dank, dass Sie zu meinen Leser gehören.
2 Antworten
Hallo Herr Geerdts,
was für ein lebendiger Beitrag. In diese Situation kann sich, denke ich jeder, sehr gut hineinführen. Wie das Wort “ Wahrnehmung“ schon so treffend ausdrückt. Jeder nimmt sich seine Wahrheit, erklärt sie zum „Gesetz‘ und fertig.
Dabei gibt es nicht DIE Wahrheit, sondern eher Sichtweisen, die die eigene Wahrnehmung bestimmen. Wir werden oft so manipuliert in unserer Wahrnehmung, dass wir kaum noch hinterfragen oder keine andere Wahrnehmung zulassen.
Wahrnehmung ist aus meiner Sicht ein Produkt aus eigenen Erfahrungen, Überzeugungen und Mustern. Es fällt uns daher oft schwer, dass andere eine andere Wahrnehmung haben können. Und schon ist der Konflikt vorprogrammiert, weil wir auf unsere Wahrnehmung bestehen und meinen, es gibt nur eine Wahrheit – meine????. Basta!
Dabei liegt, wie so oft, die Wahrheit in der Mitte. Etwas mehr Toleranz und weniger Ego könnten so manche Diskussion, manches Kundengespräch entspannen und ganz neue Lösungen zulassen, auf die man im eigenen „Wahrnehmungsgefängnis“ nie gekommen wäre.
In diesem Sinne viele Grüsse
Hallo Frau Püttmann,
immer öfter wird mir klar, dass ich nichts weiß von dem, was „da draußen“ vor sich geht. Und meinem Gegenüber geht es genauso. Das lässt mich in vielen Situationen toleranter und entspannter bleiben. Das erleichtert die Suche nach gemeinsamen Lösungen. In diesem Sinne beste Grüße zurück.