Überzeugend präsentieren: weshalb es sich lohnt, die Standards zu knicken

Michael-Geerdts-Blog-Storytelling-Präsentation-Pitch-Elevator-Pitch-präsentieren-Berlin-Kommunikation.jpg

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Vortrag zu halten. Ob Sie im Meeting das neue Projekt vorstellen, im Kundengespräch Ihre Produkte präsentieren oder vor Investoren für Ihr Start-Up pitchen: Sie möchten Ihr Publikum mitreißen! Weshalb Sie dabei die üblichen Standards getrost knicken können, erfahren Sie anhand von zwei Praxisbeispielen.

Der Standard: Foliensalat und Phrasenschwein

Begleiten Sie mich zu einem Vortragsabend. 240 neugierige Zuhörer strömen in den Raum. Eine bezaubernde Moderatorin, Typ Julia Roberts, sagt den ersten Redner an: „Freuen Sie sich jetzt auf Max Müller (nein, das ist natürlich nicht sein richtiger Name!) zum Thema… Sie sehen, wie Max Müller dynamisch die Bühne betritt und kurz auf seine Startfolie blickt. „Schönen guten Tag, mein Name ist Max Müller. Ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind und spreche heute über…“ Klick. Die nächste Folie kommt von links reingeflogen.

„Einmal kurz die Agenda meines 15-minütigen Vortrages…“. Klick. Nächste Folie. „Kurz zu mir… es folgen gefühlte 4 Minuten beruflicher Werdegang. Das Publikum beginnt zu tuscheln. Max Müller dreht uns den Rücken zu und liest die Texte vor. Mein Kollege Andreas Bornhäuser nennt das betreutes lesen… und ich steige an diesem Punkt mental aus.

Wie oft haben Sie solche Präsentationen schon gesehen? (Und wie oft selbst gehalten?) „Ich überspringe die letzten Folien mal, wir haben ja keine Zeit mehr.“ Höre ich ihn sagen und bin froh, dass es vorbei ist. Ist es noch nicht. Klick. Letzte Folie: „Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.“ Der Klassiker. Doch es geht auch anders…

Die Ausnahme: freie Rede und Überraschungen

Es ist Dienstag, 08.30 Uhr. Heute ist der zweite Tag beim Training für Führungskrafte bei einer schweizer Bank. Einer der Top-Manager des Unternehmens hält gleich die Begrüßungsrede. Ich bin sehr gespannt. Stellen Sie sich eine Mischung aus Sky Dumont und Mario Adorf vor. „Ihr seid am Beginn einer spannenden Reise, so wie ich vor 20 Jahren. Menschen zu führen ist eine der schönsten Aufgaben. Dabei habe ich auch Fehler gemacht. Deswegen möchte ich Euch drei Botschaften mit auf den Weg geben.“

Die nächsten 60 Minuten waren gespickt mit spannenden und lustigen Geschichten aus seinem beruflichen Alltag. Kein Mikro, keine Folie. „In meiner Zeit als Barpianist habe ich folgendes gelernt… „. Wie bitte? Da steht der Top-Manager einer Bank vor 120 zukünftigen Führungskräften und erzählt Bargeschichten? Einige Mitarbeiter blickten sich mit erstaunten Gesichtern im Publikum um. Volltreffer.

Besonders gut hat mir auch der Abschluss gefallen: „Legt die Handys beiseite, lasst den Lap-Top mal 2 Tage geschlossen und tauscht Euch aus. Mir hat dieses Programm sehr geholfen und das wird es Euch auch. Ganz egal, ob Ihr das Wissen bei uns oder in einem anderen Unternehmen einsetzt. Schön, dass ihr hier seid.“ Kurze Verbeugung und tosender Applaus.

Und was jetzt?

Verzichten Sie darauf, alles doppelt und dreifach zu erzählen, wenn Name und Thema schon auf der Startfolie stehen. Lassen Sie alle hohlen Phrasen á la ich freue mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind einfach weg. Verzichten Sie auf Ihren Lebenslauf und binden Sie Ihr Publikum von Anfang an mit ein. Erzählen Sie etwas überraschendes von sich, das schafft sofort Vertrauen. Und nehmen Sie sich selbst weniger Ernst. Dann wird Ihr Publikum sich freuen, das SIE hier sind. Kurze Verbeugung und tosender Applaus. Für Sie.

8 Antworten

    1. Hallo Corinna,
      „vielen Dank für die Blumen!“ Es wird bald neue Videos geben… Auszüge aus Vorträgen und Seminaren. Die Newsletter wird es 2016 auch als Podcast geben. Also erst einmal „auf die Ohren“. Dir herzliche Grüße und weiterhin viel Freude und Inspiration,
      Michael.

  1. Hallo Herr Geerdts,

    Sie sprechen mir mal wieder aus dem Herzen.
    Punkt 1: 10 Minuten Selbstdarstellung als Eröffnung zum Seminar hatte 2 Teilnehmer schon fast zum gehen bewogen (sagten sie in der Schlussrunde)
    Punkt 2: Noch besser finde ich es, wenn man Folien ausgehändigt bekommt, die zusammengeführte Inhalte von Kollegen aus Urzeiten zeigen. Nun ja die Quelle ist drauf, doch das Seminar hatte sich gar nicht darauf bezogen. Da ich mich gerade für das Female Business Seminar in der Schweiz beworben habe, ist es um so wichtiger, die eigenen Geschichten und Erfahrungen gut zu verpacken. Das will auch geübt sein. Ich liebe das Flipchart und meine Neuro-Figuren. An ihnen kann ich viel besser in Zusammenarbeit mit den Teilnehmern die Inhalte erarbeiten. ENERGIE mobilisieren-GELASSENHEIT entwickeln-AUFMERKSAMKEIT lenken. Selbststeuerung rund um Emotionen und Wille können wir trainieren. Gerade entwickle ich dafür auch ein Konzept für die Verbesserung der Golf-Performance. Hoffe, es klappt. Lieben Gruss Britta Wackernagel

    1. Hallo Frau Wackernagel,
      eigenes ist immer besser! Natürlich können Sie gern Kollegen zitieren oder sich auf deren Arbeit berufen, solange Sie auf die Quelle hinweisen. Letztendlich kommen die Zuhörer um zu hören, was SIE zu dem Thema zu sagen haben. Das bedeutet zwar mehr Arbeit, allerdings lohnt sich das Investment, weil nur Sie Ihre Erfahrung, Ihr Wissen und Ihre Historie haben. Und wie ich über Seesterne und rosa-Porsche-Verkäufer denke, wissen Sie ja bereits.
      Mit den besten Grüßen und toitoitoi,
      Michael Geerdts.

    1. Hallo Wilfried,
      herzlichen Dank für Deinen freundlichen Kommentar. Sprichst Du denn ab und zu auch vor Menschen? Oder hörst Du lieber zu?
      Frische Grüße, Michael.

  2. Hallo Herr Geerdts,

    ich stimme Ihnen zu, was die Vorstellung und den Gebrauch von Power Point angeht. Überraschungen und Anekdoten machen sich bestimmt gut, wenn es um „weiche Themen“ wie Motivation oder Mitarbeiterführung geht. Wenn der Vortrag aber eher der Vermittlung von Wissen dienen soll („Der GmbH-Geschäftsführer in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes“), halte ich das eher für schwierig.

    Herzliche Grüsse

    Holger Hembach

    1. Hallo Herr Hembach,
      herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Erlauben Sie, dass ich anderer Meinung bleibe… Sicherlich ist Storytelling nicht der heilige Gral, zumindest für mich nicht. Und Zahlen, Daten und Folien haben wohl dosiert eine entsprechende Wirkung.

      Wissen in Form von Geschichten zu vermitteln ist eine hohe Kunst und damit auch Arbeit. Ich kenne hervorragende Beispiele, in denen Aerodynamik,die Heisenbergsche Unschärferelation oder auch Quantenphysik mittels einer Story oder Analogie vermittelt wurden. Ist das immer einfach? Nein. Kann das jeder lernen? Ja.

      Für mich bleibt jedesmal die Frage: Was soll das Ziel meiner Präsentation sein und wie kann ich das erreichen? Manchmal mit einer Folie, manchmal mit einer Story.

      Beste Grüße, Michael Geerdts.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Ja, ich möchte zusätzliche Informationen und wertvolle Tipps für meine Kommunikation.

KOMMUNIKATIONSimpulse abonnieren